100 Jahre Wintersport bei Eintracht Braunschweig

Bewegte Geschichte zwischen Braunschweig und Harz

Es war im September 1924, als sich 27 naturverbundene und skibegeisterte Einträchtler in einem Braunschweiger Café trafen und die Wintersport-Abteilung gründeten. Diese Gründungsversammlung ist in diesem Jahr 100 Jahre her – Grund genug einmal zurückzublicken. Nach der Gründung war den Sportlerinnen und Sportlern schnell klar, dass es gute Ideen braucht, um die große Distanz zu den Skigebieten in den Höhenlagen des Harzes zu überwinden. Und diese guten Ideen gab es schneller als gedacht, erklärt Abteilungsleiter Stefan Schrader. „Man muss sich das einfach mal vorstellen. Im September 1924 fand die Gründungsversammlung statt und bereits im Dezember 1925 wurde die erste Eintracht-Hütte in Oderbrück im Harz eingeweiht. Diese Aktion fand in absoluter Rekordzeit statt und das sogar ganz ohne finanzielle Unterstützung aus dem Hauptverein.“

Nun hatten die Athletinnen und Athleten eine Heimat im Harz, so dass sie sich ab sofort voll und ganz auf das Sportliche konzentrieren konnten. „Die Sportlerinnen und Sportler haben damals die Herausforderung, sich mit den Harzer Vereinen zu messen, angenommen. Dieser Wettkampf war für die noch junge Abteilung gleichzeitig der Antrieb für eine permanente Weiterentwicklung“, weiß Schrader zu berichten. Diese kontinuierliche Aufbauarbeit zahlte sich recht bald aus. Es folgten Siege bei den Harzer Staffelmeisterschaften in den Jahren 1936, 1942 und 1947. Ebenfalls in den dreißiger Jahren begann man mit der Ausrichtung von Skiwettkämpfen in Oderbrück. „Trotz der harten Trainingsarbeit kamen die geselligen Aktivitäten rund um und in unserer Eintracht-Hütte nie zu kurz“, erinnert sich Peter Werner.

Umso verständlicher, dass der Erhalt und die Pflege der heutigen Hütte und des Hüttengeländes in Oderbrück innerhalb der Abteilung immer höchste Priorität hatten und haben. Zuletzt wurde 2016 der Sanitärbereich im Keller vollkommen entkernt und neugestaltet. Wie auch bei der Ausgestaltung des Außengeländes mit Finnbahn, Kletterwand und Feuerstelle, packen auch immer zahlreiche Mitglieder mit an.

Einen großen Rückschlag erlitt die Abteilung am Ende des 2. Weltkrieges, als alle Hütten im Oberharz niederbrannten. Zunächst konnte 1947 nur wieder eine Behelfshütte, noch heute als „Kleine Hütte“ bekannt, errichtet werden. „Die neue Eintracht-Hütte, wie wir sie heute noch kennen, entstand 1954“, erklärt Schrader. Im Abteilungsleben wechselten sich beschauliche Zeiten mit sportlichen Höhepunkten ab. Unter Sportwart Walter Stoltz gab es in den siebziger und achtziger Jahren im Jugendbereich mehrere Teilnahmen an Deutschen Meisterschaften und sogar einen Deutschen Meistertitel durch Anke Supplie mit der Staffel des Niedersächsischen Skiverbandes. Zudem etablierte sich für alle Hobbyläufer der Tourenwettbewerb, bei dem jedermann ganz ohne sportlichen Druck Punkte für die Jahreswertung sammeln konnte. Peter Laubner war es dann, der Ende der 70er Jahre den Tag der Braunschweiger Skijugend ins Leben rief. „In manchen Jahren liefen an diesem Tag mehr als 1000 Schülerinnen und Schüler aus Braunschweiger Schulen auf der Wettkampfstrecke in Oderbrück um die Wette. Das war für viele immer eine ganz besondere Veranstaltung“, berichtet Jan Voigt.

In der Folge war es nur logisch, dass die Verantwortlichen der Abteilung im Kontakt mit den Schulen eine gute Gelegenheit sahen, Nachwuchs zu finden und zu fördern. Gesagt, getan. Zuerst entstand am Wilhelmgymnasium eine Ski-AG, später kam die Grundschulen Lehndorf hinzu. „Man muss wirklich sagen, dass das große ehrenamtliche Engagement immer wieder auf fruchtbaren Boden fiel, auch wenn durch manchen „Winter“, der seinen Namen nicht verdiente, oft Verdruss und Zweifel aufkamen“, so der Abteilungsleiter.

Neben dem Wandel der Abteilung unterlag aber auch das sportliche Umfeld einem steten Wandel. Schneearme Winter und der Strukturwandel im Harz machten den dort ansässigen Vereinen schwer zu schaffen. Aber zum Glück ließen sich die Sportlerinnen und Sportler nicht entmutigen. Im Gegenteil, es gelang ihnen, durch harte und kontinuierliche Arbeit, insbesondere auch im Sommer, erfolgreich die sportliche Lücke zu schließen. Möglich war das mitunter durch bessere Trainingsbedingungen, auch auf Grund der zunehmenden Mobilität. 1997 folgte der vorläufige Höhepunkt durch den Sieg der Herrenstaffel mit Jan Voigt, Rainer Kelch und Dirk Debertin bei den Niedersächsischen Meisterschaften, genau 50 Jahre nach dem letzten Harzer Staffelsieg. „Endlich hatten wir es geschafft, im Harz ganz vorne zu sein.“, erinnert sich Voigt. Fortan waren die Einträchtler Stammgast auf dem Podium im Harz. „An dieser Stelle muss man sagen, dass insbesondere Dirk Debertin sinnbildlich für den Geist der Abteilung zum Jahrtausendwechsel steht. Dirk ist zwar schon früh berufsbedingt nach Karlsruhe gezogen und hatte immer große Ambitionen und hat auch zahlreiche Erfolge im Triathlon und im Berglauf gefeiert. Trotzdem ist er der Eintracht immer treu geblieben und kehrt immer wieder auf die Eintracht-Hütte zurück“, betont Schrader.

Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. „So großartig die damaligen Erfolge im Herrenbereich auch waren, sie haben auch dazu geführt, dass die Nachwuchsarbeit wieder mal etwas vernachlässigt wurde und das mussten wir dringend wieder ändern“, erinnert sich Jan Voigt. Und der damalige Sportwart war es dann auch, der 2001 die Schulkooperationen wiederbelebt hat. So kam wieder neuer Schwung in die Nachwuchsarbeit und Kurt Lütjens engagierte sich von nun an nicht nur an der Grundschule Lehndorf, sondern auch am Schwarzen Berg. Außerdem kam mit der Hoffmann-von-Fallersleben-Schule ein ganz neuer Kooperationspartner hinzu. Neben der Teilnahme an den Harzer Wettkämpfen wurden an den Winterwochenenden durch den Tourenwart auch regelmäßig gemeinsame Skitouren angeboten. Außerdem wurde 2014 für den Schülernachwuchs ein Förder-Team gegründet, in dem die besonders talentierten und engagierten Jugendläuferinnen und -läufer gezielt unterstützt und betreut werden können. Hieraus gingen zuletzt mit Marielle Elfers und Anton Schaper zwei Sportler hervor, die deutschlandweit zu den Besten ihres Jahrgangs gehören und auch großes Interesse der Eliteschulen des Wintersports in Thüringen und Sachsen geweckt haben.

Mit der Zeit rückte auch die Teilnahme an den großen Volksläufen und Skimarathons in Deutschland und Europa immer mehr in den Vordergrund. Während die Teilnahme am deutschen König-Ludwig-Lauf zum alljährlichen Abteilungsevent wurde, zog es die Spitzenläuferinnen und -läufer der Abteilung immer wieder nach Schweden zum großen Vasaloppet, einer Veranstaltung mit bis zu 16.000 Teilnehmenden. Den vorläufigen Höhepunkt aus Braunschweiger Sicht setzte dort Fabian Hartig im Jahre 2019, als er bei schweren Bedingungen einen unglaublichen 110. Platz erlief. Vorangegangen war einige Jahre zuvor die Gründung des Eintracht Braunschweig Skimarathon-Teams durch Dirk Debertin und Martin Rejzek. Gemeinsam mit Daniel Debertin, David Brehmke und den Brüdern Tobias und Fabian Hartig sorgte das Team deutschlandweit für Aufsehen und holte mehrmals die inoffizielle Deutsche Ski-Marathon-Meisterschaft.

„Heute können wir mit Stolz sagen, dass die Wintersportabteilung der Eintracht eine von wenigen verbliebenen treibenden Kräften des Skilanglaufs in Niedersachsen ist. Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und sagen, dass wir uns als echter „Flachlandverein“ deutschlandweit einen Namen gemacht haben. Dazu beigetragen haben mit Sicherheit die zahlreichen sportlichen Erfolge, das gemeinsame, immer positiv geprägte Auftreten und auch die Ausrichtung einer Vielzahl von Wettkampfveranstaltungen bis hin zu den Deutschen Seniorenmeisterschaften im Jahr 2017“, sagt Schrader. Ein entscheidender Faktor für diesen Erfolg liegt sicherlich in der Kontinuität innerhalb der Abteilung begründet. Schließlich gab es im Laufe der 100-jährigen Abteilungsgeschichte mit Karl Michel, Ernst Fricke, Kurt Lütjens, Peter Werner und Stefan Schrader nur fünf Abteilungsvorsitzende. Letzterer ist ein Urgroßenkel des Abteilungsgründers Karl Michel. Somit schließt sich pünktlich zum Jubiläum auf gewisse Art und Weise ein Kreis.

(Text: J. Voigt/C. Draheim)